Delta Junction – Dot Lake 103 km

Rock the roads - Mit dem Fahrrad die Welt entdecken.

Um 9.20 Uhr geht es weiter. Ich lasse mir noch etwas Zeit und kaufe im kleinen Laden
von Delta Gas und Nahrung ein. An der Junction hier an der berühmten Mile 1002,
mache ich ein paar Bilder von mir und meiner Gazelle, dann trete ich in die
Pedale. Der Tag ist schön und die Anstiege harmlos, wie an der Schnur gezogen geht
es über fast 70 km gerade aus. Doch dann beginnen die Berge. Die Wälder stehen
regelrecht in Flammen. Ich halte immer wieder an, um dieses farbenprächtige Feuer
mit der Kamera festzuhalten, bin dermaßen fasziniert von dieser Kraft, dass ich
die Zeit vergessen mag. 

Beim nächsten Halt stelle ich fest, dass mein Hinterrad deutlich Luft verliert. Ich habe den ersten Plattfuß auf meiner Reise. Immerhin bin ich jetzt schon über 5338 km weit gekommen und dabei hunderte km über verdammt schlechte Schotterstraßen gefahren. Zuzüglich der ca.2000 km während meiner Vorbereitung in Deutschland, bin ich jetzt über 7000 km mit den Reifen von Schwalbe (hier der link) unterwegs, wohlgemerkt: bis hierhin kein einziger Flicken! Ohne das Hinterrad herauszunehmen, gelingt mir eine schnelle Reparatur des Reifens und bald schon kann die Fahrt weitergehen. Unterwegs begegnen mir immer wieder Jäger. 

Meist sind es Natives, die mit ihrem Pick-Up den Highway patroullieren und nach Elchen oder Caribous Ausschau halten. Hin und wieder höre ich Schüsse. Obwohl ich dann hoffe, dass es „ihn“ hoffentlich nicht erwischt hat, verstehe ich mittlerweile mehr um die Hintergründe der Menschen hier in dieser abgeschiedenen Region in Alaska und im Yukon, denn die Jagd dieser Menschen ist nun mal wesentlicher elementarer Inhalt ihrer Tradition. Ein paar Kilometer weiter sehe ich in großer Entfernung, wie ein riesiges Tier die Straße quert. Ich kann nicht recht erkennen, ob es sich dabei nun um einen Bären oder einen Elch handelt, dafür ist das Tier viel zu weit weg. Kurz vor 19.00
Uhr erreiche ich Dot Lake. Das Settlement scheint wie ausgestorben.

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An der Poststation sehe ich lediglich einen Mann. Pfeife rauchend steht er draußen vor
seiner Tür. Wir kommen ins Gespräch. Ich frage ihn nach Trinkwasser, was er mir
dann auch gerne in meine leeren Flaschen füllt. Er erzählt, dass es hier in der
Gegend nicht überall trinkbares Wasser gibt, ich kann froh sein kann, bei ihm
welches zu bekommen. Eine etwas fade bräunliche Brühe, aber Trinkwasser! Am Dot
Lake habe ich zuvor eine einsame Hütte ausgemacht, dort fahre ich nun zurück.
Kaum halte ich an, bemerke ich, dass am Highway, etwa hundert Meter von der
Hütte entfernt, ein Auto anhält. Jemand beobachtet mich! Was wollen die denn
von mir?! Die Hütte ist in einem miserablen Zustand, die Fenster zerschlagen, alles
liegt voller Glassplitter, verrotteter alter Möbel, Unrat und Zeugs, in den
Ecken Rattenkot und Vogelscheiße, also was wollen die beiden in der Karre?

Irgendwann, es wird schon dunkel, dann hauen sie ab. Gut so, denke ich mir,
denn ich bin ungenießbar, wenn ich müde und hungrig bin. Die Hütte, egal wie es
hier auch aussieht, wird mir Schutz vor der Kälte bieten für die Nacht! Die
fehlende Eingangstür ersetze ich durch zwei herumliegende zerfetzte
Campingstühle, so werde ich auf jeden Fall früh genug bemerken, wenn jemand versucht hier herein zu kommen. Als ich am nächsten Morgen wach werde, spüre
ich jeden Knochen im Leib. Die Kälte, der harte Fußboden, mein Fußball auf dem
ich seit Monaten penne?! Egal, ich muss weiter! Oh wie habe ich das Sofa bei Peter genossen! Der See ist Topfeben, kein Lüftchen weht, geisterhafte Nebelschlieren
schweben über dem Wasser, außer dem krächzenden Ruf eines Raben höre ich nichts, es ist totenstill hier am Dot Lake. Zum ersten mal spüre ich die Gefahr, wenn das Wetter nur nicht schlechter wird.

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